In Brasilien steht der chinesische Elektroautohersteller BYD im Fokus einer schweren Anklage. Die Staatsanwaltschaft in Bahia wirft dem Unternehmen und zwei Baupartnern vor, chinesische Arbeitskräfte unter Bedingungen beschäftigt zu haben, die brasilianischem Recht zufolge mit Sklaverei vergleichbar sind. Insgesamt 220 Arbeiter wurden aus einer Fabrikbaustelle in Camacari gerettet. Die Ermittlungen begannen nach einem anonymen Hinweis. Nun fordern die Behörden Schadensersatz in Höhe von rund 257 Millionen Reais – das sind etwa 45,5 Millionen US-Dollar.
Die brasilianische Arbeitsstaatsanwaltschaft reagierte auf eine anonyme Meldung und leitete eine umfassende Untersuchung ein. Dabei stießen Ermittler auf 220 chinesische Arbeiter, die in engen, unhygienischen Unterkünften lebten. Die hygienischen Zustände waren katastrophal. Teilweise mussten 31 Menschen eine einzige Toilette teilen. Viele der Arbeiter schliefen auf einfachen Metallgestellen – ohne Matratzen, Decken oder ausreichende Belüftung.
Besonders schwer wiegt der Vorwurf, dass die Arbeiter ihre Pässe abgeben mussten und zur Unterzeichnung von Verträgen gezwungen wurden, die gegen brasilianisches Arbeitsrecht verstoßen. Die Verträge sahen extrem lange Arbeitszeiten vor – ohne garantierte Ruhezeiten oder freie Tage. Wer kündigen wollte, wurde mit hohen finanziellen Strafen belegt. Laut Angaben der Staatsanwaltschaft verloren manche Arbeiter durch Abzüge bis zu 70 % ihres Lohns.
Die betroffene Fabrik sollte BYDs erste Produktionsstätte für Elektroautos außerhalb Asiens werden. Die Eröffnung war für März 2025 geplant. Der Standort in Camacari, im Nordosten Brasiliens, galt als strategischer Schlüsselpunkt für den Marktausbau in Lateinamerika.
Doch im Spätherbst 2024 stoppten die Behörden den Bau. Seitdem ruht das Projekt, und die rechtlichen Konsequenzen für BYD könnten weitreichend sein.
Brasilien erkennt moderne Formen der Sklaverei juristisch an. Dazu zählen neben Zwangsarbeit auch Schuldknechtschaft, menschenunwürdige Behandlung und alle Formen der Ausbeutung, die die Würde einer Person verletzen. Die brasilianische Verfassung schützt sowohl inländische als auch ausländische Arbeitskräfte umfassend.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft betonte: „Wir dulden keine Arbeitsbedingungen, die gegen die Grundrechte verstoßen – egal, wer der Arbeitgeber ist.“
Bislang hat sich BYD nicht öffentlich zu den Vorwürfen geäußert. Frühere Aussagen des Unternehmens betonten stets eine „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber Menschenrechtsverletzungen. Auf Presseanfragen reagierte das Unternehmen bislang nicht. Auch die beteiligten Subunternehmen stehen in der Kritik, da sie angeblich für die Rekrutierung und Unterbringung der Arbeiter verantwortlich waren.
Die aktuelle Lage stellt das Image des Konzerns massiv infrage. BYD – kurz für „Build Your Dreams“ – gehört zu den größten Elektrofahrzeugherstellern der Welt. Im April dieses Jahres überholte das Unternehmen laut Daten von Jato Dynamics erstmals Tesla beim Verkauf von Elektroautos in Europa.
Seit 2015 ist BYD in Brasilien aktiv. In São Paulo eröffnete das Unternehmen damals ein Werk zur Herstellung von Chassis für Elektrobusse. Der neue Standort in Bahia sollte die Expansion beschleunigen und lokale Arbeitsplätze schaffen. Doch durch die aktuellen Entwicklungen ist unklar, ob und wann die geplante Fabrik in Betrieb geht.
Für BYD steht viel auf dem Spiel. Brasilien gilt als einer der wichtigsten Auslandsmärkte. Eine Anklage wegen Menschenhandels und moderner Sklaverei könnte nicht nur dem Ruf, sondern auch den Geschäftschancen in ganz Lateinamerika schaden.
Der Fall zeigt erneut, wie wichtig die Kontrolle globaler Liefer- und Arbeitsketten ist. Während BYD weiterhin schweigt, wachsen der öffentliche Druck und die rechtlichen Risiken. Die kommenden Wochen dürften entscheidend sein für das weitere Vorgehen der Behörden und die Zukunft des Werkes in Camacari.